Der Boandlkramerblues

Bei dem Begriff „Boandlkramer“ werden in Brand ganz schnell Erinnerungen an jene glanzvolle Aufführung des „Brander Kaspar“ wach, mit dem die Theatergruppe nach der Eröffnung des Mehrzwecksaales elfmal die Zuschauer von nah und fern begeisterte. Heuer geht es wieder um einen „Boandlkramer“ – doch der hat eine ganz andere Aufgabe als sein „Vorgänger“. Er soll nicht jemanden holen, der sich dagegen sträubt: Isidor Birnbacher möchte geholt werden, doch der „Boandlkramer“ mag ihn noch nicht, weil sein Auftrag noch keinen Retourenschein für ihn enthält.

Das ist die lustige Geschichte des Autors Roland Beier von einem, der gern wollen hätte mögen. Isidor Birnbacher, überzeugend gespielt von Tobias König, hat den „Blues“: keine Lust mehr am Leben, melancholische, niedergedrückte Stimmung; er kann sich zu nichts aufraffen und geht seiner Frau mit seiner Unzufriedenheit auf den Geist. Sein letzter Freund wird zu Grabe getragen, er hat niemanden mehr zum Kartenspielen. Es geht lustig zu auf der Bühne, wenn Isidor die täglichen Todesanzeigen liest und entsprechend kommentiert. Weiblicher „Boandlkramer“ Da taucht er auf, der fahlgrau geschminkte Gevatter Tod, und mit seinem Auftreten beginnt ein Feuerwerk auf der Bühne, dessen Wirkung ganz eng verbunden ist mit der Hauptfigur. Welch ein glücklicher Griff, dass Jochen Erhardt die Hauptrolle weiblich besetzt hat: Vroni Söllner spielt einen überaus netten und sympathischen Tod, freundlich, gut gelaunt und zu Späßen aufgelegt. Da ist der niederbayerische Dialekt das Tüpfelchen auf dem „i“, der mit dem stets genau angepassten Tonfall ergänzt ein überzeugendes authentisches Ganzes ergibt. Auch Maskenbildner Michael Werner hat ganze Arbeit geleistet und diese Eigenschaften künstlerisch zum Ausdruck gebracht. Nicht weniger authentisch Veronika Kraus, die als Margarete, Isidors Frau, einen kurzen, aber bestimmenden Auftritt hat. Während Isidor mit allerlei Bestechungsversuchen, vor allem mit Kerschtgeist, den Tod überzeugen will, ist sie schon lange tot. „Alle um mi herum sterm, blouß ich derf niat!“ Doch er gibt nicht auf. Das Ringen mit dem Tod lässt Isidor aufblühen. Frisch und durch und durch lässig geht er mit dem „Boandlkramer“ um – sowie mit viel schwarzem Humor. Und genau das nimmt ihm den Schrecken. Nach pandemiebedingter zweijähriger Pause gab es wieder einmal Theater zur Jahreswende – aber anders als gewohnt, neuer und frischer. Seitlich an der Bühne spielt eine kleine Musikgruppe, schwarz gekleidet mit weißen Hosenträgern, den musikalischen Blues, stets angepasst an die Stimmung. Eine Gruppe schwarz gekleideter Mädchen liefert mit kleiner Choreographie unterstützte Gesänge, kommentiert damit das Bühnengeschehen und sorgt für sanfte Übergänge zwischen den Szenen. „Come on, Baby, get your Shoes, des is der Boandlkramerblues!“

Eigentlich hätte die Gruppe den „Brandner Kaspar“ spielen wollen, wie Vorsitzender Jochen Erhardt sagte, doch der laufe dauernd im Fernsehen und auf der Luisenburg. Ihr habe man die Zuschauer nicht wegnehmen wollen, meinte er mit keineswegs ernster Miene. Als Hommage daran wolle man den Abend verstanden wissen. Bei der Premiere blieb kein Platz frei und auch die weiteren sechs Vorstellungen sind restlos ausverkauft. Dass den „Boandlkramer“, inzwischen mit Walburga angesprochen und auf diese Weise „vermenschlicht“, nur die sehen, die an der Reihe sind, führt immer wieder zu großen Lachsalven im Saal – weil sich auch die angesprochen fühlen, die gar noch gar nicht dran sind. Friedhofsszenen gehen über die Bühne, Leute sterben ungeplant, das Feuerwerk versprüht extra leuchtende Funken – ein großer Aufwand für die Theatergruppe Brand. Ein Sarg spielt nun die tragende Rolle im „Boandlkramerblues“. „Bald san ma wieder beiaranana, dou kannst ma wieda a Marmelad-Brout schmiern“, sagt Isidor in Richtung eines Fotos seiner verstorbenen Margarete. Dann steigt er hinein zum Probeliegen, ebenso wie die neue Frau in seinem Leben: Rosi. Maria Schindler wird zur Lachkönigin des Abends, wenn ihr Isidor die ganze Geschichte mit Walburga erzählt, die sie nur zum Totlachen findet. Sie interessiert der Sarg aber auch und macht es ihrem Isidor nach: „Steht mir der?“, fragt sie liegend. Herzhaftes Lachen bestimmt die weitere Szene. Später liegt auch der etwas korpulente Pfarrer drin, nachdem ihn Rosi und Isidor mit vereinten Kräften hineingewuchtet haben.

Viele Mitwirkende Im dritten Teil ist dem Besucher ein Blick in den Himmel gegönnt, doch von wegen wachsen hier Bierflaschen an den Bäumen, und auch Weißwürste liegen nicht im Bach. Nun wird auch die große Zahl an Mitwirkenden sichtbar. Petrus taucht auf, Engel sind da, männliche und weibliche, die sich mit scharfer Zunge gegenseitig bekriegen: „Schau, dass da Harfm zupfst“, meint ein weiblicher Götterbote. Kinderengel ernten extra Beifall. Am Ende stirbt eine Frau: Rosi. Sie sitzt am Tisch und stirbt in der sanften Art wie es der „Boandlkramer“ immer macht. Nebenbei erfährt man, warum Frauen länger leben: „Der Herrgott schreibt den Frauen die Zeit gut, die sie beim Ratschen vertun!“ Nach knapp dreieinhalb kurzweiligen Stunden – zwei gut organisierte Pausen im Flair großer Theater inclusive – folgten langer und kräftiger Applaus sowie herzliche Dankesworte des Vorsitzenden.

 Die „Opfer“ des Boandlkramers

Bilder zum Stück